Nachhaltigkeit

Bürger*innen-Energie:

So gestalten Sie die Energiewende aktiv mit
Gabi Dobovisek
Mietshaus mit PV-Anlagen in einer bürgerinitiative

Energiegenossenschaften von Bürger*innen spielen eine wichtige Rolle auf dem Weg in die Klimaneutralität. Die Beteiligten können  an der Energiewende teilhaben – und finanziell profitieren. Wie man eine Energiegenossenschaft gründet und was Sie sonst noch wissen sollten:

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein und die Stadt Dortmund will dieses Ziel sogar früher erreichen. Eine Mammutaufgabe, die nur gelingt, wenn alle Akteure der Energiewende zusammenarbeiten. Neben Politiker*innen, Verbänden und Unternehmen aus dem Energiesektor wirken auch immer mehr Bürger*innen an der Energiewende mit.

Wir erklären, was Bürgerenergie überhaupt ist und haben uns bei der Energiegenossenschaft BürgerEnergie Dortmund umgehört, was bei der Gründung wichtig ist und wie möglichst viele profitieren.

Was ist Bürgerenergie überhaupt?

Bürgerenergie steht für eine erneuerbare und auf dezentrale Strukturen ausgerichtete Energiewende, die demokratischen, sozialen und ökologischen Werten entspricht, heißt es auf der Webseite des Bündnis Bürgerenergie (BBEn).

Vereinfacht ausgedrückt: Ob allein oder in der Gemeinschaft, Menschen beteiligen sich an Energieprojekten vor Ort. Dabei gibt es unterschiedliche Beteiligungsmöglichkeiten:

  • Energiegenossenschaften: Bürger*innen schließen sich zusammen, um gemeinschaftlich erneuerbare Energieprojekte zu finanzieren, zu realisieren und zu betreiben. Gemäß dem genossenschaftlichen Prinzip erhalten Mitglieder unabhängig von der Höhe ihrer Einlage eine Stimme.
  • Bürgerwindparks: Windkraftanlagen werden von Bürger*innen finanziert und betrieben.
  • Mieter*innenstrommodelle: Solaranlagen werden auf Mietshäusern errichtet und der erzeugte Strom direkt an die Mieter*innen verkauft.
  • Bürgerfonds: Bürger*innen investieren in Fonds, die Projekte im Bereich erneuerbare Energien finanzieren und profitieren von der Rendite.
  • Crowdfunding: Privatpersonen können auf entsprechenden Plattformen kleinere Beträge in erneuerbare Energieprojekte investieren.
     

Energiegenossenschaften spielen derzeit die bedeutendste Rolle bei der Bürger*innenenergie. Laut Jahresumfrage des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands (DGRV) zu den Energiegenossenschaften wächst deren Zahl kontinuierlich – wenn auch in den vergangenen Jahren nicht mehr so stark.

  • 2023 gab es 877 Energiegenossenschaften und damit 36 mehr als im Vorjahr. 
  • Deren 220.000 Mitglieder waren zu 95 Prozent Privatpersonen.
  • Zusammen investierten sie 3,4 Mrd. Euro in erneuerbare Energien.
  • Durchschnittlich brachte jedes einzelne Mitglied 5.200 Euro ein.
     

„Um die Energiewende zu schaffen, müssen wir als Gesellschaft riesige Summen aufbringen – vom Umbau der Netze durch die Energieunternehmen bis zu Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare in der Industrie und den Haushalten“, sagt Philipp Hoicke, Referent Stakeholdermanagement bei DEW21. „Wenn diese Mammutaufgabe gelingen soll, brauchen wir die verschiedensten Akteur*innen. Energiegenossenschaften sind dabei ein wichtiger Baustein, der zum Gelingen der Klimaneutralität beiträgt.“

Warum sind Energiegenossenschaften wichtig?

Zunächst mal, weil sich jede*r beteiligen kann, betont Hoicke. „Die wenigsten leben in einem Haus, das sie selbst klimaneutral gestalten können und bisher fand die Energiewende außerhalb ihres Einflussbereiches statt. Bei DEW21 halten wir es dagegen für wichtig, dass Bürger*innen Selbstbestimmung an der Energiewende erhalten.“ Das, so der DEW21-Stakeholdermanager, sorge auch dafür, dass sich noch mehr Menschen für das Thema interessieren.

Bei DEW21 halten wir es für wichtig, dass Bürger*innen Selbstbestimmung an der Energiewende erhalten.
Philipp Hoicke, DEW21-Stakeholdermanager

Aber sind Bürgergenossenschaften für ein Energieunternehmen wie DEW21 nicht nur unliebsame Konkurrenz? Auch wenn DEW21 selbst erfolgreich kleine PV-Anlagen und große Projekte für den Ausbau erneuerbarer Energien in Dortmund realisiert, betont Hoicke: „Wir haben ja alle dasselbe Ziel und nur zusammen schaffen wir die Energiewende.“

Ähnlich sieht das auch Marc Schmitt-Weigand, Vorstand der 2023 gegründeten Energiegenossenschaft BürgerEnergie Dortmund: „Steigen Sie mal auf den Florianturm und lassen Sie Ihren Blick schweifen über Dortmunds Dächer. Die wenigsten davon haben bisher eine PV-Anlage. Es ist noch viel zu tun und wir wollen es anpacken.“

Steigen Sie mal auf den Florianturm und lassen Sie Ihren Blick schweifen über Dortmunds Dächer. Die wenigsten davon haben bisher eine PV-Anlage.
Marc Schmitt-Weigand, Gründer der BürgerEnergie Dortmund e.G.

Die Energiegenossenschaft arbeitet gerade mit Hochdruck an der Realisierung ihres ersten Projekts: Eine große PV-Anlage auf einem Wohnkomplex. „Mieter*innenstrom hat großes Potential, kommt aber nicht in die Gänge, weil es ziemlich kompliziert ist. Wir haben uns daher bewusst für diese Nische entschieden“, sagt Schmitt-Weigand. Die Genossenschaft will künftig auch helfen, wo es etwa für gemeinnützige Organisationen und Vereine schwierig wird, in erneuerbare Energien zu investieren.

Wie können Bürger*innen eine Energiegenossenschaft gründen?

Bevor Marc Schmitt-Weigand Genossenschaftsgründer wurde, engagierte er sich bereits aktiv im Klimaschutz. Doch irgendwann kam das Gefühl, sich bloß auf Demos und in der Politik für Klimaschutz einzusetzen, reiche nicht. „Ich wollte mich selbst und andere handlungsfähig machen, in einer Zeit, in der viele Ohnmacht empfinden.“

Seinen Vorstandskollegen Thomas Orban lernte er auf einer Demo von Fridays for Future kennen und mit 17 anderen zusammen gründeten Sie 2023 ihre Genossenschaft – mit mittlerweile 150 Mitgliedern.

Im Gründungsprozess sind für Schmitt-Weigand 5 Schritte essenziell:

  1. Menschen finden, mit denen man eine Idee und ein gemeinsames Ziel teilt.
  2. Sich informieren, was es in der eigenen Region bereits gibt – kann ich mich anschließen oder braucht es eine ganz neue Initiative?
  3. Beratung holen zum Thema Gründung einer Genossenschaft. Schließlich sei eine Genossenschaft ein Wirtschaftsunternehmen mit allem, was dazu gehört. Ein Tipp von Schmitt-Weigand: „Keine*r muss sich hinsetzen und alleine eine Satzung schreiben. Es gibt ja schon alles.“ Er selbst habe unterschätzt, was für eine Arbeit der Gründungsprozess bedeutet und jede Hilfe sei dabei willkommen.
  4. Kontakt aufnehmen zu anderen Genossenschaften und Initiativen. „Wir pflegen einen sehr offenen und solidarischen Kontakt zu anderen Genossenschaften, tauschen uns aus und profitieren von den Erfahrungen der anderen.”
  5. Formale Schritte gehen. „Der letzte Punkt ergibt sich aus den vorherigen, sobald klar ist, was man wirklich will und was es braucht“, sagt der Genossenschaftsmitgründer.

Einen Rat gibt Schmitt-Weigand Neugründer*innen noch mit auf den Weg: „Haltet das Gründungsteam eher klein, dann verliert man sich nicht in langen Diskussionen über die Formalien. Geht erst danach nach draußen.“ Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Euphorie und der Tatendrang einiger Mitglieder schon im Gründungsprozess verloren gehe.

Weitere Informationen rund um die Gründung von Energiegenossenschaften bietet etwa das Netzwerk Energiewende Jetzt.

Mit Bürger*innenenergie Rendite erzielen - geht das?

Der Zusammenschluss in einer Genossenschaft hat den positiven Effekt, dass sich das Engagement für das Klima auch wirtschaftlich lohnt. „Die meisten Menschen haben bisher keine Möglichkeit, von der Energiewende monetär zu profitieren“, so Stakeholdermanager Hoicke. Bürgerenergie biete ihnen die Möglichkeit für finanzielle Teilhabe.

Wie das ganz konkret aussieht, zeigt die PV-Anlage von BürgerEnergie Dortmund, die bald Mieter*innenstrom produziert:

  • Das Vorhaben wird derzeit durch eine Darlehensrunde der Mitglieder finanziert. „Unsere Genossen und Genossinnen geben uns Geld für das Projekt und erhalten im Gegenzug eine sichere Verzinsung“, sagt Schmitt-Weigand.
  • Gleichzeitig profitieren die Bewohner*innen des Dortmunder Wohnkomplexes. „Den durch unsere Anlage produzierten Strom verkaufen wir anschließend günstig an die Menschen vor Ort weiter.“

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